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Das Rätsel des Opfers
Don Quijote mit Computer
Der Spiegel
Vermutlich ist der Physiker Frank Zweig ein Mörder, er hat, behauptet er, seinen Vater umgebracht: „Die Idee kam im Suff. (Ich schwöre es.)" Aber im Krankenhaus, in der psychiatrischen Abteilung, gönnt man ihm kein ordentliches Verfahren; die Krankenschwester Leonie und der Arzt Dr. Früger ignorieren sein Geständnis einfach. Darum beginnt er seine Geschichte aufzuschreiben, „eine Geschichte wie ein Naturgesetz", keine „Biographie aus psychotherapeutischer Massenproduktion", keine „Geschichte von der Stange".
Weil weder der Held noch sein Autor Ulrich Woelk etwas vom therapeutischen Wühlen im Ich halten, liest sich dieses erstaunliche Erzähldebüt fast wie eine Parodie auf die konfektionierten Nöte geläufiger Introspektionsprosa. So klug und so komisch zugleich unterhalten neuere deutsche Prosaautoren ihre Leser selten.
Frank Zweig leidet vor allem an seiner Normalität und daran, daß er aus der Physik gewohnt ist, eine Gleichung mühelos in eine andere zu überführen. Einer wie Zweig könnte sich einen Mord ausdenken, aus heimlicher Furcht vor der Banalität. Der Kampf zwischen Arzt und Patient, Psychologen und Physiker wird zum subtilen Spiel um die Grenzen der Erkenntnis. Dabei scheint der 30jährige Autor, der wie sein Protagonist in Tübingen studiert hat und inzwischen als Astropyhsiker in Berlin lebt, seinen computergeschulten Don Quijote den Streit gegen die Freudschen Windmühlen wenigstens auf dem Feld der Sprache gewinnen zu lassen: mit bestechenden Kausalketten, treffsicheren Kurzformeln. Doch widerlegt Woelk seinen Helden in Wahrheit gerade durch die Genauigkeit des Erzählens. Sie wird am Ende zu Zweigs wichtigstem Therapeutikum. Nur einen Kuß hätte er der Schwester Leonie gern noch gegeben.